Wie es ist, den Job zu kündigen.

Ich wollte schon immer selbstständig sein. Mir fehlte nur zuerst die Idee, dann das Gefühl, bereit zu sein. Nun habe ich es getan – gekündigt und jetzt beginnt das Abenteuer Selbstständigkeit als Freiberuflerin und als Teil von Jubel Trubel.

Selbstständig. So habe ich mir immer mein Erwachsenenleben vorgestellt. Aufgewachsen in einer Schaustellerfamilie war Selbstständigkeit für mich das Normalste der Welt. Was ich vorgelebt bekommen habe: Selbst und ständig – der Klassiker. Richtig reinpowern, wenn es gilt und unsere Geschäfte geöffnet sind. Belastbar sein und Verantwortung tragen. Für alles. Dann arbeiten, wenn andere frei haben. Schlaf wird an Veranstaltungstagen auch einfach überbewertet. Und festes Gehalt gibts nicht automatisch am Monatsende. Im Ausgleich aber eben auch morgens ‘nen zweiten Kaffee trinken zu können oder einen Arzt- oder Friseurtermin einzuschieben. Spontanverabredungen, selbst eingeteilte Pausen. Urlaub, wenn es Verpflichtungen zulassen, nicht wenn er vom Vorgesetzten abgesegnet wird. Unterm Strich: Mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit, aber dafür eben auch Risiko und viel harte Arbeit. Schnell war klar, das will ich auch in meinem Erwachsenenleben haben. Nun da muss man halt erst einmal hinkommen und vor allem, man muss etwas können, mit dem man sich selbstständig machen kann. Voll in den Familienbetrieb einzusteigen war keine Option. Ich wollte immer neben meinen Schaustellerwurzeln noch was Eigenes.

"Aber was blieb, war das schale Gefühl, an ein Büro gefesselt zu sein und das Mittagstief zwischen drei und vier Uhr."

Es folgten Studium, Praktika, Trainee und  ein Jobkoller. Die Tatsache, mich morgens um 9 Uhr auf meinen Schreibtischstuhl zu setzen und quasi erst abends um 18 Uhr frühestens wieder von eben diesem aufzustehen, machte sich als riesiger Fremdkörper in meinem Magen breit. Der Jobkoller legte sich wieder, neuer Job, neues Team. Euphorie und come on 9to5 läuft schon irgendwie. Aber was blieb, war das schale Gefühl, an ein Büro gefesselt zu sein und das Mittagstief zwischen drei und vier Uhr. Ich ertappte mich häufig dabei, wie ich mir das Leben von anderen Menschen, die ich aus dem Fenster raus oder beim schnellen Kaffeekauf draußen beobachten konnte, ausmalte. Wie ich sie beneidete, jetzt einfach draußen dieses verdammte Eis mit Freunden essen zu können oder eben diesen Einkauf einfach so an einem Nachmittag erledigen zu können, während ich auf meinem Bürostuhl hin und her rutschte und den Kopf beinahe wie ein eingesperrtes, traumatisiertes Tier zu schütteln begann. Büro Vollzeit ist einfach nichts für mich, das wurde mir immer klarer. So sehr Routine und feste Arbeitszeiten für den einen Komfort und Sicherheit bedeuten, so sehr wurde es für mich zur absoluten Einengung und ich immer unglücklicher. Aber zum kompletten Schritt fehlte mir noch der Mut bzw. die Selbstsicherheit, das vollkommen schaffen zu können. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon mit Kerstin zusammen die Idee zu Jubel Trubel Zweisamkeit. Nach Gesprächen mit meinem Chef folgte geilerweise die Teilzeit: drei Tage die Woche Agentur, zwei Tage ein eigenes Online-Magazin aufbauen. Oh yes. Das war Knaller, denn ich hatte noch immer ein Stück Sicherheit, aber auch einen Gewinn an Freiraum und Zeit, mich einem eigenen Projekt zu widmen. Doch irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich merkte, das reicht nicht mehr. Ich will es jetzt endlich wagen. Springen und schwimmen. Und schauen, was bei rauskommt. Erst war es nur ein Gedanke, ja irgendwann 2018 wird es so sein, dann werde ich kündigen. Doch irgendwas in mir verselbstständigte sich schneller als gedacht und der Wunsch nach Selbstständigkeit fing immer mehr an in mir zu brennen. Und dann kommt dieser Punkt, an dem es kein Zurück gibt. Du weißt, du musst jetzt kündigen. Klingt banal, aber du weißt es einfach, wenn es dein Ding ist. Zack, bumm, bautz, hier ist meine Kündigung. Drei Monate to go, dann kommt der neue Lebensabschnitt als Freiberufler. Holy moly –  die Gefühlslagen wechselten sich allmählich immer schneller ab. Von unfassbar geil, was da bald los sein wird bis hin zu oh fuck, mir wird das letzte Mal Gehalt überwiesen. Von ekstatischen Autofahrten mit Glücksgefühlen und Vorstellungen von freigeistigen Café-Laptop-Latte-Macchiato-Morgenden bis zu Sonntagen in Embryonalstellung im Bett in der Hoffnung, Netflix könne das Gedankenkarussell ein wenig anhalten.

"Ich fühle mich irgendwo zwischen krass mutig und maximal bescheuert."

Und dann ist sie plötzlich da, die letzte Woche mit fester Arbeit, die letzte Woche mit deinen teils so lieb gewonnen Kollegen. Die letzte gemeinsame Mittagspause, der letzte Kaffeemaschinenplausch. Da ich Endgültigkeit so gar nicht kann, möchte ich es als emotional sehr anstrengende Woche bezeichnen. Ich musste meinem Team Tschüss sagen, ohne es gegen ein neues Team getauscht zu haben. Immer wieder sagte ich mir, mein Gott, reiß dich zusammen, es war deine eigene Entscheidung. Aber wie das mit den Emotionen nun mal so ist, dem Verstand gehorchen sie eher selten bis nie. Schublade ausräumen, Abschied feiern, Bürohund verabschieden. Am nächsten Tag hatte ich nicht nur ‘nen bösen Kater wegen zu viel Tschüss-Schnaps mit den Herzkollegen, ich fühlte mich auch einfach leer. So und jetzt? Es war, als wenn alle Energie aus mir rausgepustet worden wäre, das freudige Schwirren der letzten Wochen trotz regelmäßiger Schnappatmungsmomente war plötzlich total weg. Alles was jetzt kommen sollte, lag wie ne riesige Wand vor mir. Erst einmal schlafen. Und New Girl gucken und liegen und denken. Und vielleicht auch mal nicht denken. Nur liegen. Nach zwei Tagen und pünktlich zum Wochenstart war er dann da, der Tatendrang. Ja, ich fühlte mich noch immer irgendwo zwischen sau mutig und total bescheuert. Aber ich hatte Lust loszulegen. Seitdem ist meine wichtigste Lektion, sich von Tag zu Tag vorzuarbeiten und nicht zu weit zu denken. Denn das macht mir noch immer eine Scheiß Angst, die mich eher lähmt als beflügelt. Jetzt heißt es, sich allen neuen Dingen stellen, sich Stück für Stück durch Dokumente und Papierkram arbeiten, Steuergedöns verstehen und bei Versicherungen durchblicken, Businessplan schreiben und lernen, zu kalkulieren, netzwerken und Aufträge an Land ziehen. Es fühlt sich an, als hätte ich alle Bauteile, die ich in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn durch verschiedenste Einblicke und Erfahrungen habe sammeln können, nun einmal kräftig in die Luft geschmissen und schaue, wie sie in einer hoffentlich hübschen Anordung wieder runterkommen. Und ja, keine Ahnung, wie es sich entwickeln wird, keinen Plan, ob ich das alles hinbekommen werde und ob ich davon in der Zukunft leben kann. Aber wenn ich es nicht ausprobiere, werde ich es nie wissen. Was für mich noch viel schlimmer wiegt als Scheitern?
Der Was-wäre-wenn-Gedanke.

Foto by Alexei Scutari on Unsplash

Text: Jenny

Jubel Trubel Zweisamkeit-Gründerin, Fan von Wortneuschöpfungen und Songs, die sich dramatisch steigern. Die hört sie am liebsten laut beim Auto fahren oder während sie klitzekleine Sachen in Schachteln ordnet. Nebenbei arbeitet die Detailverknallte als Freelancerin – ihr Ding: alles, was mit Copywriting, Social Media und Texten zu tun hat. Ach ja, und Kirmes. Übrigens würde sie ganz gerne auf der nächsten Hochzeit den New Girl-Ententanz nachstellen. Wer Bock hat mitzumachen, gerne mal melden!

Foto by Betty

Veröffentlicht am 3. August 2018
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