Warum ich dich
trotzdem vermisse

Jetzt sagst du mir, du hast jemanden kennengelernt. Kawumm, dumpfer Schlag in die Magengrube. „Ich freu mich für dich.“, sehe ich mich schreiben. Sowas von geheuchelt. Ich freue mich nicht. Ich kämpfe mit den Tränen. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass mich das so trifft. Ich habe mir wirklich vorgemacht, ich könnte das. Distanziert. Unverbindlich. Unkompliziert. Fast professionell habe ich mich gefühlt. Ich dachte, ich wäre ganz erwachsen. Könnte das alles selbst bestimmen. Gefühle einfach mal nicht haben. Nur genießen. Und dann im richtigen Moment loslassen. Freundschaft Plus. Affäre. Wie auch immer man es nennen mag. Fail, würde ich sagen. Was ich da gemacht habe: Gefühle zudecken trifft es wohl eher. Selbst wenn es nur die Sehnsucht nach Nähe war. Wenn diese Nähe weg ist, ist es nämlich trotzdem ein Verlust.

Die Wahrheit ist, wir haben zu viel Zeit miteinander verbracht. Wir haben irgendwann angefangen miteinander zu reden. Wir haben einige der intimsten Augenblicke geteilt, die es zwischen zwei Menschen geben kann. Und jetzt vermisse ich dich. Dabei habe ich bei dir immer die starke Unabhängige gespielt. Zwar von meinen Ängsten erzählt. Aber niemals davon, dass du ein Teil meines Lebens geworden bist. Eine Konstante, die mich durch eine ziemlich intensive Zeit begleitet hat. Du warst an manchen Tagen meine Insel, bei der ich auf Pause drücken konnte. Meine kleine zweisame Insel, auf der ich zumindest für einen Tag verdrängen konnte, welche Verpflichtungen da draußen auf mich warten.

Das zwischen uns war körperlich, schon klar. Aber das zwischen uns war eben auch im Bett liegen, Pizza essen, zusammen einschlafen, zusammen aufwachen.

Ich glaube, es bist nicht nur du, von dem ich mich jetzt verabschiede, sondern auch vom letzten Jahr. Von der bisher bewegendsten Zeit in meinem Leben. So voller Endorphine, von denen ich manchmal gar nicht wusste, wohin damit. Alles war neu. Alles war angsteinflößend. Und aufregend. Aber vor allem kam all das aus mir selbst und dem, was ich gerade aus meinem Leben machte. Und du? Du warst die Haupt-Nebenrolle. Für ein paar Monate die feste Besetzung und später eine, die ab und zu mal aufblitzte. Du hast mich begleitet. Auch wenn du das vielleicht gar nicht wusstest.

Am Anfang habe ich mir nicht erlaubt traurig zu sein. Wieso auch. Ich habe es als lächerliches Gefühl abgetan. Ich habe versucht mir zu sagen, dass das nur mein verletztes Ego ist. Ich habe nie von Liebe geredet. Keine Angst, das war es nicht. Für mich nicht. Für dich noch viel weniger. Das zwischen uns war körperlich, schon klar. Aber das zwischen uns war eben auch im Bett liegen, Pizza essen, Filme gucken, in den Arm nehmen, zusammen einschlafen, zusammen aufwachen. Und so habe ich im letzten Jahr nicht verhindern können, dass du mir weniger egal geworden bist. Eigentlich hattest du mehr als meine Abgeklärtheit verdient. Ein bisschen mehr Echtheit, von der ich immer so viel erzähle. Nur warum hätte ich dir sagen sollen, dass ich dich gern hab auch als Mensch, wenn doch klar war, dass das, was wir sind, ein ziemlich nahes Verfallsdatum hat. Und jetzt vermiss ich dich. Trotzdem. Und auch gerade deshalb.

Jede Nachricht, die wir austauschen, ist für mich ein Ego-Abfuck. Sie führt mir vor Augen, was ich nicht habe. Du aber schon, nur mit einer anderen.

Du warst die perfekte Ausrede für mich. Der Alibi-Typ in meinem Leben. Niemand, der vom Wesentlichen zu sehr ablenkt. Niemand, von dem man seinen Eltern erzählen würde. Vielleicht nur wenigen Freunden. Wenn die mich gefragt haben, ob es gerade jemanden in meinem Leben gibt, habe ich immer mit „nein“ geantwortet. Vielleicht hätte mich das „nichts Ernstes“, was ich dann manchmal nachgeschoben habe, daran erinnern sollen, dass nichts Ernstes nicht nichts ist. Du hattest es in meinen Kopf geschafft. Ich habe mir niemals Liebes-Szenarien mit dir ausgemalt. Aber ich habe mir andere Dinge ausgemalt. Und manchmal musste ich lächeln, wenn ich an dich gedacht habe. Du hast mir Aufmerksamkeit geschenkt und vieles gegeben. Ziemlich leeres Gefühl, wenn das vorbei ist.

Ich weiß überhaupt nicht, wieso wir noch Kontakt haben. Jedes Mal, wenn wir miteinander schreiben, tut es ein bisschen weh. Kleine Piekser, die bei jeder Nachricht schlimmer werden. Ich hasse das. Wir tun immer so, als seien wir Freunde. Aber die Wahrheit ist, dass es für dich vielleicht so ist. Für mich nicht. Ich will, dass du mich als Frau siehst und nicht als Freundin. Ich will, dass du mich toll findest. Attraktiv. Fabelhaft. Schön. Dass du an mein Lächeln denkst und mich berühren willst, wenn du mich in deinem Kopf hast. Das ist nicht platonisch. Das ist Selbstbeschiss. Und jede Nachricht, die wir austauschen, ist für mich ein Ego-Abfuck. Sie führt mir vor Augen, was ich nicht habe. Du aber schon, nur mit einer anderen. Dass es für dich mal ganz nett ist, mit mir zu schreiben oder zu sprechen und dass du mich magst. Genau wie ich dich mag. Nur dass mir unsere Nähe fehlt. Und dann schnürt sich mein Hals zu und ich werde traurig. Das sollte so nicht sein. Kann man mit jemandem befreundet sein, dem man körperlich mal so nah war? Der Körper erinnert sich, sagt eine meiner Freundinnen immer. Und da hat sie Recht. Als du das letzte Mal in meiner Stadt warst, hast du mir nicht Bescheid gesagt. Wir sind uns zufällig über den Weg gelaufen. Und unsere Körper haben sich erinnert. Viel zu sehr sogar. Das ist keine Freundschaft.

Manchmal ist es okay, das zu wollen, was man nicht mehr haben kann und sich davon zu verabschieden.

Es ist okay, dich zu vermissen. Das musste ich mir erst eingestehen. Es ist okay darüber traurig zu sein, dass das vorbei ist, was wir hatten. Dieses Freundschafts-Irgendwas-Mann-Frau-Ding. Vielleicht können wir irgendwann so richtige Freunde sein. Ganz bestimmt sogar. Nur jetzt noch nicht. Denn manchmal ist es auch okay, das zu wollen, was man nicht mehr haben kann. Und sich davon zu verabschieden.

Seit Stunden hänge ich in deiner Stadt fest. In dieser Stadt, die so kitschverhangen-romantisch-schön ist, dass es weh tut. Ich will nach Hause. Nach Hause und endlich weinen. Weil ich mich leer fühle. Weil ich diese Leere mit Tränen füllen will. Weil sich irgendetwas in mir drin wünscht, du wärst der Grund für diese Leere. Und weil du es eben nicht bist. Weil ich so sehr dieser jemand für jemanden sein möchte und jemanden haben möchte, der mein jemand ist.

Foto: Thanh Tran via Unsplash

Text: Gastautor

Veröffentlicht am 22. Mai 2018
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