Von Urlaubsliebe
und Fernbeziehung

Das süße Glucksen wenn Du lachst. Deine verschmitzten Augen dabei. So unbeschwert. Das werde ich nie vergessen.

Fast einen Monat ist es her. Die App, über die wir uns trafen, verhieß nicht mehr als unsere Intention an diesem Abend: Fuck and Go. Ein bisschen Spaß. Keine Verbindlichkeiten. Ich blieb die ganze Nacht. Schlief in Deinen Armen ein. Und blieb zu Kaffee und Pancakes am nächsten Morgen.

Distanz kann Freiheit geben. Erfrischend sein. Und ist manchmal einfach nur wahnsinnig anstrengend.

Wann und wie wir Menschen kennenlernen, die uns berühren, das können wir nicht vorhersehen. Meist passiert es dann, wenn wir am wenigsten damit rechnen. Wenn uns so gar nicht der Sinn nach jemandem steht. Oder wenn wir im Urlaub sind und einfach nur frei sein wollen. So war es bei mir. Wir sind in Tel Aviv, mein bester Freund und ich. Zwei schwule Singles, Sommer, Sonne, Gay Pride Week. Niemals hätte ich gedacht, dass ich Dich in meiner ersten Nacht kennenlernen würde. Dann öffnest Du mir die Tür – und haust mich um mit Deinem Lächeln.

Es ist nicht das erste Mal, dass mir sowas passiert. Meinen zweiten Freund traf ich während des Studiums. Ich war Praktikant in Hamburg und noch zwei Wochen in der Stadt. Kurz vor meiner Abreise lernten wir uns kennen. Natürlich fiel mir mein Abschied aus der Hansestadt daraufhin schwerer als erwartet.

Wenige Tage nach unserer ersten Nacht besuche ich Dich in der Bar, in der Du arbeitest. Lässig zwinkerst Du mir über die Theke zu. Du bist der süßeste Bartender der ganzen Stadt. Verstehst Dich blendend mit meinem Kumpel. Und nimmst mich später mit selbstgedrehter Kippe im Mund vor deiner Wohnung in Empfang. Fernbeziehungen können funktionieren. Meinen Ex und mich trennten 300 km Entfernung. Fast fünf Jahre lang. Distanz kann Freiheit geben. Erfrischend sein. Langeweile und Alltagsquerelen verhindern. Und ist manchmal einfach nur wahnsinnig anstrengend.

Mein Verstand möchte sich noch wehren, doch mein Herz hat sich schon entschieden. Ich bin dabei, dich jeden Moment mehr und mehr zu mögen.

Ich bin in Tel Aviv. Ich will mich nicht verknallen. Nicht im Urlaub. Nicht in der Stadt, deren Männer so schön sind wie der allabendliche Sonnenuntergang. Nachts tanz ich mir zu düsterem Techno die Seele aus dem Leib. Habe geilen, kurzweiligen, unverbindlichen Sex. Ich wehre mich ein bisschen gegen Dich. Gegen uns. Gegen das, was passieren könnte, wenn ich zu viel Nähe zulasse. Und doch bist Du derjenige, dem ich am Tag nach der Party schreibe: Ob Du Kuscheln kommen willst. Klar willst Du. Beide wollen wir. Mein Urlaub ist bald vorbei. Unsere Zeit endlich. Das wissen wir. Mein Verstand möchte sich noch wehren, doch mein Herz hat sich schon entschieden. Ich bin dabei, dich jeden Moment mehr und mehr zu mögen. Wenn Du bei mir bist, gibt es kein „Raum und Zeit“. Nur das Hier und Jetzt. Jeder sinnverlorene Blick in Deine tiefbraunen Augen zählt. Jeder Atemzug, mit dem ich Dich tiefer inhaliere. Wir träumen und hoffen und bangen zugleich. Wortlos verlieren wir uns in unserer Umarmung – und schlafen engumschlungen ein.

Meine letzte Fernbeziehung ist an der Distanz gescheitert. Nicht an ihr allein. Aber auch. Ich in Köln, er in New York. Sechs Stunden Zeitunterschied. Schwierige Kommunikation. Missverständnisse und Streitereien. So leicht uns das In-Kontakt-bleiben in Zeiten von WhatsApp und Facetime auch gemacht wird: Einen Kuss auf der Stirn oder den Geruch des Anderen im Kissen hinterlassen selbst die modernsten Medien nicht. Eher das schale Gefühl, dass der andere nah – und doch so fern ist.

Ich will Dich näher kennenlernen. Unbedingt. Wenn ich’s nicht versuche – dann werde ich nie wissen, wie es mit uns geworden wäre.

Die Zeit mit Dir vergeht wie im Flug. Wir treffen uns am Strand. Wir ficken, wir kuscheln, wir gehen essen und lachen und plaudern bis nachts um vier. Unsere Fingerkuppen berühren und liebkosen sich zu einer Umarmung. Auf der Straße nimmst Du meine Hand. Zögerlich. Gut fühlt sich das an. So gut. Dann der letzte Abend. Essen mit Freunden. Alle mögen Dich und Du magst sie. Wir verleugnen unsere Vergänglichkeit, die wie Dünensand dahinfließt. Unsere letzten Umarmungen sind tränenverschwommen. Wie geht es weiter mit uns? Wir wissen es nicht. Ich gebe Dir zum Abschied einen kleinen Stein. Den hab ich gefunden nach unserer ersten Nacht. Wenn man ihn ins Licht hält, glitzert er so schön. Du schluchzt vor Tränen. Mir geht es ähnlich, als Du mir Deinen Ring schenkst. Der, der so zu Dir gehört hat, weil er immer so geklappert hat, wenn Du was angefasst hast. Mein Verstand sagt: Vergiss’ es. Fernbeziehung. Zu anstrengend. Zu teuer. Zu oft zu tränenreich. Mein Herz weiß es besser. Ich will Dich näher kennenlernen. Unbedingt. Wenn ich’s nicht versuche – dann werde ich nie wissen, wie es mit uns geworden wäre.

Plötzlich sitze ich im Taxi zum Flughafen – der Platz neben mir leer. Dein Duft nicht mehr als ein Hauch Erinnerung an meinem T-Shirt. Du und ich, wir sind endlich. Die Realität holt mich ein. Dein Ring. Ich lasse ihn nicht los. Ich kann das, sage ich mir. Deutschland – Tel Aviv. Ich möchte Dich wiedersehen. Herausfinden, ob wir beide ein gemeinsames Morgen haben. Mit Dir zusammen einschlafen und nochmal gemeinsam das Meer anschauen.

Zurück in Deutschland. Wir reden. Du weinst. Du wünscht Dir so sehr, mich bei Dir zu haben. Auf Dauer. Nicht nur für ein paar Tage. Du kannst das mit uns nicht. Nicht auf die Entfernung. Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Mein Herz erstickt. Meine Beine wollen zu Dir laufen. Meine Augen sich in Deinen verlieren. Doch ich weiß, dass das nicht geht. Mir kommen die Tränen.

 

Foto: Lucas Sankey via Unsplash

Text: Sascha

Tausendsassa und Oberästhet,
liebt Gegensätze, kleine Cafés,
guten Elektro und mag ziemlich gerne bitter. Sascha ist Storyteller – er kann nicht nur als Stylist unfassbar schön Sachen legen (Leute, schaut euch doch bitte den Instagram-Kanal von diesem Mann an), sondern auch Geschichten so so
wunderbar erzählen.

Veröffentlicht am 27. Juni 2018
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