Single & Corona

Home Alone – Warum ich mich trotzdem nicht einsam fühle

Seit knapp drei Wochen bin ich – sind wir alle – jetzt den größten Teil der Zeit zuhause. Täglich in meinen Co-Working-Space gehen, Kioskbier mit Freunden, Abende in Gesellschaft, der normale Gang zum Kaffee holen beim Lieblingscafé – alles nicht mehr drin. Was Corona-Isolation für mich persönlich als Single im Ein-Personen-Haushalt bedeutet? Me, myself and I. Und das den ganzen Tag.

Ich habe mir eine Routine aufgebaut. Yoga. Mit meinem Hund raus. Arbeiten im improvisierten Home Office. Nachmittags das Highlight: meinen einzigen auserwählten Sozial-Kontakt in Real Life treffen. Und danach? Wieder ich zuhause. Ganz schön viel Zeit mit mir selbst und den Gedanken an das, was dort draußen so passiert. Kaum eine Chance vor mir selbst zu fliehen. Anfangs war ich aufgewühlt, ruhelos, wusste nicht wohin mit mir und meinen Emotionen. Null Konzentration. Null Runterkommen. Der Gedanke für unbestimmte Zeit nicht mehr meinem gewohnten Leben nachzugehen, löste ein ziemlich großes Unbehagen in mir aus.

Ziemlich bald gesellte sich zu dem Social Distancing-Abgeschiedenheitsgefühl aber noch ein anderes dazu: Nämlich das Gefühl der Verbundenheit. Denn das kollektive Zuhausebleiben hatte einen Effekt, an den ich zuvor nicht gedacht hatte: Seit zwei Wochen habe ich so viel Kontakt zu all den Menschen, die mir wichtig sind wie schon lange nicht mehr. Und dieser Kontakt geht über ein belanglos gefragtes „Wie geht’s dir?“ und das schnelle Updaten über die Dinge, die in meinem Leben in den letzten Wochen so passiert sind, bei Weitem hinaus. Dieses „Wie geht’s dir?“ wird zur echten Frage, zu echtem Interesse und zu einer echten Verbindung untereinander. Und ich glaube, genau das ist der Grund, wieso ich mich in dieser Sozial-Isolation im Corona-Chaos bisher so gar nicht einsam fühle.

Einsamkeit – Was ist das überhaupt?

Auf der Suche nach der Definition von Einsamkeit bin ich auf folgende Erklärung gestoßen:

„Einsamkeit bezeichnet die negative Empfindung, von anderen Menschen getrennt zu sein, wobei dieses subjektive Gefühl nicht zwangsläufig mit physischem Alleinsein und tatsächlicher sozialer Isolation zusammenhängen muss.“*

Es ist doch so, Einsamkeit hängt nicht davon ab, ob ich mich physisch mit jemandem am selben Ort befinde. Ich kann unter 1000 Menschen und trotzdem einsam sein. Auch in Gesellschaft kann ich mich unverstanden, unwertgeschätzt und nicht beachtet fühlen. Ich glaube, jeder hat diesen Zustand irgendwann schon einmal erlebt. Ich jedenfalls kenne das sehr gut: In einem Raum mit vielen Leuten und trotzdem dieses vage Gefühl vom Nicht-Dazu-Gehören. Dieses Gefühl von Fremdsein, auch wenn das etwas ist, das innerlich und nicht äußerlich passiert. Wirklich kein schöner Zustand.

„Aber für unsere Generation, die Millenials, bietet das Zuhause bleiben, eine echte Chance, wieder Wertschätzung und Dankbarkeit kennenzulernen. Es bietet die Chance sich wieder miteinander zu verbinden.“

Soziale Nähe bei physischer Distanz

Doch das Alleinsein, das ich jetzt gerade erlebe, ist etwas völlig anderes. Mit Einsamkeit hat das nicht viel gemein. Denn plötzlich werde ich aufmerksamer meinen Mitmenschen gegenüber und jede Begegnung, sei sie übers digitale Miteinandersprechen, telefonieren oder ein zufälliges Treffen beim täglichen Spaziergang wird zum Highlight. Diese Begegnungen haben ihre Selbstverständlichkeit verloren. Im Gegenteil, sie werden zelebriert. Sie lösen größte Freude in mir aus, auch wenn die Umstände nicht die schönsten sind. Auch wenn ich zwei Meter Abstand halten muss oder nur die Stimme am anderen Ende der Leitung höre. Ich fühle eine tiefe Zusammengehörigkeit, während wir hier alle zusammen drinstecken. Während unsere Welt kleiner wird, sie sich dafür aber jetzt umso mehr aufs Wesentliche konzentriert.

Ich weiß, ich befinde mich trotz allem in einer sehr privilegierten Lage. Denn ich habe eine Wohnung, in der ich mich wohl fühle, ich habe meinen Hund, ich habe ein gut funktionierendes soziales Netzwerk. Ich bin jung. Ich bin gesund. Das ist mir bewusst. Ich rede hier nicht von alten Menschen, die alleine zuhause sind und die nicht die technischen Möglichkeiten oder Kenntnisse haben wie ich. Alte oder vorerkrankte Menschen für die dieses Virus zur echten Lebensbedrohung werden kann. Aber für unsere Generation, die Millenials, bietet das Zuhause bleiben, eine echte Chance, wieder Wertschätzung und Dankbarkeit kennenzulernen. Es bietet die Chance sich wieder miteinander zu verbinden. Und das ohne eine Millionen Ablenkungen. Ohne von Arbeit zu Verabredungen und zurück zu hetzen und währenddessen bei WhatsApp zu chatten oder alle fünf Minuten E-Mails und Instagram zu checken. Dieses kollektive Zuhause bleiben bietet vor allem eines: Die Zeit haben an andere zu denken und zwar so richtig. Bewusst miteinander in Kontakt zu treten. Das ist etwas so Wertvolles aber gleichzeitig auch etwas, das viele von uns ver- oder gar nicht erst gelernt haben.

„Da gibt es also immer jemanden, der mir sagen kann: `Hab keine Angst, wir schaffen das!´Und das beruhigt mich ungemein. Es gibt mir ein Gefühl von Sicherheit inmitten der größten Unsicherheit.“

Füreinander da sein gewinnt so sehr an Bedeutung

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es mir in dieser Krisen-Situation immerzu gut geht und ich auf einer Wolke der Glückseligkeit durch diese Tage schwebe. Manchmal ist es mehr als schwierig. Ich schlafe schlecht. Meine Gedanken kreisen. Und es gibt diese Augenblicke, in denen ich Angst habe. In denen ich mich so ungewiss unbehaglich fühle, in denen ich gerne einfach meine Freunde oder meine Familie treffen und sie fest in den Arm nehmen möchte. Aber ich glaube, das Wichtigste ist, diese Augenblicke und diese Gefühle anzunehmen und als okay anzusehen. Mir selbst klarzumachen: Ich bin nicht alleine. Uns geht es gerade allen gleich.

In solchen Momenten rufe ich einen meiner Lieblingsmenschen an. Denn sich gegenseitig unterstützen und aufmuntern gewinnt gerade so sehr an Bedeutung. Ich habe ziemlich dankbar festgestellt, dass wir uns – zumindest in meinem Freundeskreis – abwechseln mit den emotionalen Breakdowns. Da gibt es also immer jemanden, der mir sagen kann: „Hab keine Angst, wir schaffen das.“, und dem ich umgekehrt zur Seite stehen kann. Das beruhigt mich ungemein. Es gibt mir ein Gefühl von Sicherheit inmitten der größten Unsicherheit. Eins habe ich in den letzten Wochen verstanden: Sich gegenseitig helfen, bestärken und füreinander einsetzen – das geht auch ohne sich physisch zu sehen. Ebenso wie zusammen über Bullshit lachen, Geschichten teilen und sich einfach mal mit Worten umarmen. Das nennt man soziale Nähe. Soziale Nähe, die physische Distanz sowas von überbieten und weit über Bildschirme, Wohnungstüren, Stadtgrenzen, Länder, ja, manchmal auch Kontinente hinausreichen kann. Und ich glaube daran, dass wir dieser sozialen und emotionalen Nähe, die unsere Liebe und Mitgefühl füreinander zeigt, so viel mehr Kraft verleihen können als all der Unsicherheit und Angst.

 

*(Verwendete Literatur Stangl, W. (2020). Stichwort: ‘Einsamkeit’. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik https://lexikon.stangl.eu/17319/einsamkeit/ (2020-03-25)“)

Photo by Amaury Salas on Unsplash

Kerstin Buddendiek, Co-Founder Jubel Trubel Zweisamkeit

Text: Kerstin

Jubel Trubel Zweisamkeit-Gründerin und Verkupplungskünstlerin. Dazu Komplimente-Tourette und ein Lidstrich, der ewig hält – wenn das keine geile Mischung ist?! Neben ihrem Ruhepol-Dasein hat sie ‘nen ziemlichen Plan von Influencern und Social Media Shizzle. War früher ganz klares Unternehmensseite-Kind, hat dann aber doch das Freelancen für sich entdeckt. Größtes Anliegen: Bitte mal „Ich hab noch nie …” spielen. Wer macht mit?

Veröffentlicht am 2. April 2020
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